27,5 vs. 29 Zoll Mountainbike: Welche Laufradgröße passt zu dir?
Du bist dir nicht sicher, ob du 29- oder 27,5-Zoll-Laufräder brauchst? Dann tauche ein in die große Laufrad-Debatte im Mountainbiking und finde es heraus.


"Such dir eine Laufradgröße aus und bleib verdammt noch mal dabei.“ – so lautete gefühlt das Gesetz der Kommentarspalten im Internet, als die große Laufrad-Debatte ihren Höhepunkt erreichte. Für die einen war das größere 29-Zoll-Rad eindeutig überlegen – dank besserem Überrollverhalten, mehr Traktion und höherem Momentum. Für die anderen stand ebenso außer Frage, dass kleinere Laufräder in engen, technischen Passagen unschlagbar sind. Man kann sich vorstellen, wohin das führte: eine hitzige, emotionale Debatte ohne Ende.
Die Laufradgröße bestimmt maßgeblich dein Fahrerlebnis auf dem Mountainbike. Vielleicht nicht ganz so entscheidend wie die MTB-Geometrie, aber fast. Grundsätzlich gilt: Ein 29-Zoll-Laufrad rollt effizienter, meistert größere Hindernisse und bietet mehr Grip als ein kleineres Rad. Das sind die Vorteile. Aber es gibt auch Nachteile: Die größeren 29er sind schwerer auf Tempo zu bringen und lassen sich nicht so leicht um enge Kurven manövrieren. Welche Größe für dich die richtige ist, hängt von vielen Faktoren ab – von deiner Körpergröße über deine Erfahrung bis hin zu deinen Fahrvorlieben. Dieser kurze Guide hilft dir dabei, die richtige Entscheidung zu treffen.
Inhalt
27,5 vs. 29: Eine kurze Geschichte der Laufradgrößen im Mountainbiken
Vor rund zwanzig Jahren hat sich niemand Gedanken über Laufradgrößen gemacht – ganz einfach deshalb, weil fast jedes Mountainbike mit 26-Zoll-Laufrädern ausgestattet war. Doch im Stillen begannen einige kleine Rahmenbauer, mit einer damals fast noch verpönten Idee zu experimentieren: einem neuen, größeren 29-Zoll-Laufrad. Anfangs wurden diese Bikes mit den großen Rädern als „Monster“ belächelt – zu klobig, schwerfällig und angeblich unfähig, technisches Terrain zu meistern. Ganz falsch war diese Kritik nicht, denn viele der frühen Modelle waren tatsächlich träge. Doch mit der Zeit lernten die Entwickler, wie man wendige, aggressive Bikes auf 29-Zoll-Basis baut. Heute dominieren 29-Zoll-Laufräder den Mountainbike-Sport – und holen Siege in allen Disziplinen, von Cross-Country bis Downhill.
Als die 29er immer beliebter wurden, hatten manche das Gefühl, dass es zu weit ging. Sie sahen die Vorteile der größeren Räder, aber auch die Nachteile: weniger verspielt, weniger agil. Um die Lücke zwischen 26 Zoll und 29 Zoll zu schließen, kam die 27,5-Zoll-Größe auf den Markt – und wurde für ein paar Jahre sogar die dominierende Laufradgröße. Doch je besser die 29er wurden, desto stärker überwogen ihre Vorteile, und der Trend schlug klar zu ihren Gunsten um.
Heute sind 27,5-Zoll-Laufräder vor allem am Heck beliebt – kombiniert mit einem größeren 29-Zoll-Vorderrad, was im MTB-Jargon als „Mullet-Setup“ bekannt ist. Außerdem sorgen sie bei kleineren Fahrer:innen für ein komfortableres Handling. Und nicht zuletzt gibt es einfach Biker:innen, die das Fahrgefühl von 27,5 Zoll auf dem Trail bevorzugen.
27.5 vs 29, the physics
Wenn du die Unterschiede zwischen Mountainbike-Laufradgrößen verstehen willst, lohnt sich ein Blick auf die Physik dahinter. Zwei Faktoren spielen dabei die Hauptrolle: Gewicht und Durchmesser.
Fangen wir mit dem Einfacheren an: dem Gewicht. Gehen wir davon aus, dass ein 29- und ein 27,5-Zoll-Laufrad aus denselben Materialien gebaut sind, dann ist das größere Rad automatisch etwas schwerer. Dieses Mehrgewicht wirkt sich auf vieles aus. Beim Beschleunigen brauchst du mehr Kraft, um ein schwereres Rad in Schwung zu bringen. Auch beim Lenken erfordert ein schwereres Laufrad etwas mehr Energie, um die Richtung zu ändern.
Das hat Vor- und Nachteile. Willst du schnelle, enge Richtungswechsel fahren, ist das mit einem größeren, schwereren Rad anstrengender. Andererseits heißt es auch: Wenn du mit Tempo durch verblockte, steinige Passagen „hindurchpflügst“, bleibt ein 29-Zoll-Rad stabiler in der Spur und lässt sich weniger leicht ablenken. Außerdem sorgt das höhere Gewicht beim Rollen für mehr Schwung – längere Distanzen lassen sich dadurch effizienter zurücklegen. Ein kleineres Laufrad dagegen beschleunigt und lenkt zwar agiler, verliert aber eher an Momentum und kommt im technischen Terrain leichter aus der Spur.
Beim Thema Größe gibt es zwei Aspekte. Erstens: die Fahrverhalten auf dem Trail. Ein Laufrad mit größerem Durchmesser hat eine größere Aufstandsfläche – der Reifen berührt den Boden auf einer größeren Fläche als ein kleiner Reifen. Mehr Kontakt mit dem Untergrund bedeutet mehr Grip. Zweitens: Ein größeres Rad rollt leichter über Hindernisse hinweg, wodurch du in ruppigen Passagen weniger Geschwindigkeit verlierst.
Schließlich spielt auch die Interaktion mit dir als Fahrer:in eine Rolle. Vor allem kleinere Fahrer:innen (unter etwa 1,70 m) stellen oft fest, dass 29-Zoll-Laufräder bei steilen technischen Abfahrten im Weg sein können – zum Beispiel, wenn sie weit nach hinten über den Sattel ausweichen und das Hinterrad plötzlich unangenehm nah am Allerwertesten auftaucht. In solchen Fällen kann ein kleineres Hinterrad den entscheidenden „Freiraum“ schaffen. Und genau hier kommt unser nächstes Thema ins Spiel: das sogenannte "Mullet“-Setup.
Was ist ein Mullet-Setup?
Der Begriff „Mullet“ stammt von der berühmten 80er-Jahre-Frisur: „Business in the front, party in the back.“ Übertragen auf Mountainbikes bedeutet das: vorne ein 29-Zoll-Laufrad, hinten ein 27,5-Zoll-Laufrad – das beste aus beiden Welten.
Das große Vorderrad sorgt für mehr Überrollverhalten und Traktion, während das kleinere Hinterrad agiler bleibt und sich leichter in technischen Passagen manövrieren lässt. Diese Kombination ist vor allem in MTB-Disziplinen beliebt, in denen präzises Handling entscheidend ist – zum Beispiel im Downhill-Racing.
Geht es dagegen darum, bergauf wie bergab mit möglichst viel Tempo unterwegs zu sein, sind Bikes mit reinen 29-Zoll-Laufrädern meist im Vorteil – wie etwa beim Cross-Country-Racing. (Entdecke hier die Canyon Mullet Mountainbikes.)
27,5 vs. 29er: welche Laufradgröße passt zu welchem Fahrstil?
Jedes Mal, wenn wir ein neues Bike entwickeln, haben wir einen ganz bestimmten Fahrer oder eine Fahrerin im Kopf – und bauen dann das perfekte Bike für genau diesen Einsatz. Die Wahl der Laufradgröße spielt dabei immer eine zentrale Rolle, denn sie muss zu den Anforderungen des jeweiligen Fahrstils passen.
27,5 vs. 29 für Einsteiger
Wenn du neu im Mountainbiken bist, zählt vor allem eines: Dein Bike sollte dir perfekt passen. Darum bieten wir bei unseren Grand Canyon- und Neuron-Modellen die kleinsten Rahmengrößen mit 27,5-Zoll-Laufrädern vorne und hinten an. Beide Modellreihen sind darauf ausgelegt, dich in das Thema MTB einzuführen, da sie direkt aus dem Karton heraus leicht zu fahren und unkompliziert im Handling sind.
Bei der Entscheidung für die Laufradgröße beim Grand Canyon und beim Neuron geht es in erster Linie um die optimale Passform. Konkret bedeutet das: Wer ein Grand Canyon oder Neuron in Größe XS oder 2XS fährt, bekommt Modelle mit 27,5-Zoll-Laufrädern, die ideal mit den kleineren Rahmen harmonieren.
Mehr Infos zur richtigen Größe findest du in unserem MTB-Größenguide – und falls du gerade erst einsteigst, schau dir unbedingt auch unseren Guide für das beste Einsteiger-MTB an, um direkt mit Spaß und Selbstvertrauen loszulegen.

27,5 vs. 29 beim Trailriding
Die Wahrheit ist: Es gibt keine „beste“ Laufradgröße fürs Trailriding. Am Ende hängt alles von deinem Fahrstil und den Trails ab, die du am häufigsten und am liebsten fährst. Trailriding ist extrem individuell – es gibt keine Uhr und keine Maßstäbe, die dir sagen, welche Laufradgröße besser ist. Entscheidend ist allein, womit du am meisten Spaß hast.
Darum haben wir unsere preisgekrönte Spectral-Plattform so entwickelt, dass sie sowohl als Full-29er als auch im Mullet-Setup gefahren werden kann. Wer schnell Strecke machen will, liegt mit einem reinen 29er goldrichtig. Wer dagegen lieber jede Kurve shreddet, greift besser zum 27,5-Zoll-Hinterrad. Einzige Ausnahme: In Größe XS ist ausschließlich ein 27,5-Zoll-Hinterrad möglich – für eine einfache und komfortable Passform.
27,5 vs. 29 im Enduro-Racing
Mullet oder Full-29er? Im Enduro gibt es keine eindeutige Antwort – die Vorlieben sind individuell. In enger Zusammenarbeit mit unseren Profi-Athleten haben wir uns beim Strive dennoch klar für den Full-29er entschieden. Klingt auf den ersten Blick widersprüchlich, schließlich werden im Enduro nur die Downhill-Stages gestoppt. Aber ein echtes Enduro-Rennen ist ein langer Tag im Sattel. Unsere Athleten sagten uns: Die Effizienz größerer Laufräder über die gesamte Strecke ist entscheidender als ein paar Sekunden Zeitersparnis auf einer Stage mit 27,5-Zoll-Hinterrad.
27,5 vs. 29 im Downhill
Wenn es ausschließlich ums Bergabfahren geht, sind die Vorteile eines Mullet-Setups kaum zu übersehen. Das kleinere Hinterrad macht das Bike deutlich agiler und eröffnet neue Möglichkeiten im Handling. Unser Canyon CLLCTV DH-Team ist sich einig – deshalb gibt es sowohl das Sender als auch das Torque serienmäßig in Mullet-Setups.
27,5 vs. 29 im Cross-Country
Im Cross-Country-Racing ist die Entscheidung dagegen eindeutig: Hier führt kein Weg am Full-29er vorbei. Auch wenn kleinere Fahrer mit 29-Zoll-Laufrädern etwas mehr zu kämpfen haben, überwiegt am Ende der Geschwindigkeitsvorteil. Rennen werden im XC von Athleten gewonnen, die über die gesamte Distanz konstant Leistung und Speed liefern können. Genau deshalb wären die Nachteile eines 27,5-Zoll-Laufrads hier zu groß. Unsere Race-Bikes Exceed und Lux World Cup sind daher ausschließlich mit 29-Zoll-Laufrädern erhältlich.

Die Vor- und Nachteile von 27,5- und 29-Zoll
Wenn dir all diese Informationen ein bisschen viel auf einmal sind, hilft es oft, die Entscheidung in eine einfache Pro- und Contra-Liste herunterzubrechen.
Vor- und Nachteile von 29-Zoll-Rädern
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Überrollfähigkeit: Fährt sich geschmeidiger über Hindernisse und raues Gelände | Wendigkeit: Weniger agil in engen, technischen Passagen |
Effizienz: Effizienter auf langen Strecken und beim Klettern | Beschleunigung: Langsamer aus dem Stand |
Traktion: Größere Aufstandsfläche für besseren Grip | Gewicht: In der Regel etwas schwerer als Räder in kleinerer Ausführung |
Stabilität: Stabiler bei hohen Geschwindigkeiten und in unebenem Gelände | Passform: Für kleinere Fahrer:innen oft weniger geeignet |
Vor- und Nachteile von 27,5-Zoll Rädern
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Agilität: Reaktionsschnelleres Handling und leichter zu manövrieren in engen Passagen | Überrollfähigkeit: Man kann eher an Hindernissen „hängen“ bleiben |
Beschleunigung: Schnellere Beschleunigung aus dem Stand und aus Kurven | Schwung: Hält Geschwindigkeit auf unebenem Gelände nicht so gut |
Gewicht: In der Regel leichtere Räder | Stabilität: Weniger stabil bei hohen Geschwindigkeiten |
Passform: Bessere proportionale Passform für kleinere Fahrer | Traktion: Kleinere Aufstandsfläche auf dem Boden |
Branchenunterstützung: Weniger Auswahl, da Hersteller sich stärker auf 29-Zoll-Räder konzentrieren |
Der letzte Punkt zu 27,5-Zoll-Rädern ist besonders wichtig. Zwar versuchen wir, möglichst viele Vorlieben abzudecken, doch wir müssen uns auf die Bikes konzentrieren, die unsere Kund:innen wirklich wollen – und das bedeutet, dass wir, wie die gesamte Fahrradindustrie, bei den meisten Modellen von reinen 27,5-Zoll-Rädern uns wegentwickeln. Einstiegsreifen und -räder für 27,5-Zoll werden in den kommenden Jahren nicht schwer zu finden sein, doch im oberen, leistungsorientierten Segment wird es zunehmend komplizierter. Wer heute den bestmöglichen Vorderreifen sucht, hat bereits weniger Auswahl bei 27,5-Zoll-Rädern – und diese Situation wird in den nächsten Jahren noch herausfordernder werden.
Die Entscheidung: Welches Laufrad ist das richtige für dich?
Auch wenn die große Mountainbike-Räder-Debatte für viele verwirrend wirken mag, hoffen wir, dass dir unser Bikesortiment die Wahl erleichtert. Indem wir den Fokus auf dich als Fahrer:in und dein Fahrerlebnis legen – statt nur auf die Radgröße – sind wir überzeugt, dass du ein Bike findest, das sich großartig anfühlt und perfekt zu deinen Trails passt.
Du bist dir noch unsicher, welches MTB zu dir passt? Schau dir unseren MTB-Kaufguide an, der dich detailliert durch unsere Mountainbike-Modelle führt und dir hilft, jedes Modell besser zu verstehen. Mit unserem Bike-Vergleichstool kannst du noch tiefer in die einzelnen Serien eintauchen und die Unterschiede zwischen den Modellen erkennen. Wenn du lieber offline Bikes anschauen und mit Expert:innen sprechen möchtest, stehen dir unsere Experience Centres mit freundlichen Teams zur Verfügung, die dir die Modelle zeigen und eine Probefahrt organisieren.
Also, Räder auswählen, ab auf den Trail und jede Fahrt unvergesslich machen!
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Über den Autor
Matt Wragg
Lerne Matt Wragg kennen, den freiberuflichen Fotografen, Autor und selbsternannten Fahrrad-Zerstörer aus Nizza, Frankreich. Trotz erfolgloser Versuche bei XC-, Trial-, 4X- und DH-Rennen hat Matts Leidenschaft für das Mountainbiken nie nachgelassen. Nach einer Zeit in der Kommunikationsberatung beschloss er, seiner Liebe zum Radsport nachzugehen und zog nach Neuseeland. Seitdem hat er die Welt bereist, Trails gejagt und eine erfolgreiche Karriere als Radsportfotograf und -autor aufgebaut. Im Jahr 2021 wurde bei ihm Autismus diagnostiziert, mit dem er seither leben lernt. Sein Fahrradkeller ist ein echtes Zeugnis seiner Liebe zum Radsport und beherbergt Fahrräder, die von Freeride bis Cargo reichen.